Hattest du schon mal Träume, bei denen du glücklich bist, dass sie nicht in Erfüllung gegangen sind?
Es begann mit lähmender Gleichgültigkeit. Um herauszufinden, ob es mich überhaupt noch interessiert was morgen sein wird, bin ich Risiken eingegangen und habe mit meinem Leichtsinn mit dem Leben gespielt. Mit der Zeit entwickelte sich diese Distanz zum Lebenswillen in einen untröstlichen Wunsch zu Sterben. Ich war gefangen in einer Depression, die jedes Mal, wenn sie kurz abgeklungen war, erneut aufkeimte. Jahrelang aufs Neue.
Ich erinnere mich, als wir in den Urlaub geflogen sind und ich einen Selbsttest durchgeführt habe. An sich habe keine Flugangst, aber beim Start und bei der Landung, bekomme ich normalerweise wahnsinniges Herzflattern und kann dabei kaum aus dem Fenster sehen.
Doch bei diesem Flug war etwas anders. Das Flugzeug hob ab und hatte sogar anfängliche Startschwierigkeiten, sodass es mit einem lautem Ruckeln landen und erneut starten musste. Ich sah die Passagiere um mich herum nervös werden, doch in mir regte sich nicht das geringste.
Gleichgültig sah ich aus dem Fenster und achtete auf alle möglichen körperlichen Anzeichen, aber scheinbar hatte sich die instinktive Angst ausgeschaltet. Kein gewohntes Schwindelgefühl, kein Schwitzen, keine Unruhe oder Anspannung, nicht einmal der Puls veränderte sich. Es war mir schlichtweg egal, beziehungsweise ging mir sogar durch den Kopf, wie schön es wäre, wenn das Flugzeug explodieren würde. Warum auch immer.
Seitdem ließen mich Fantasien von einem tödlichen Autounfall, einem Überfall bei dem ich abgestochen oder erschossen werde, dem Ertrinken beim Baden im Fluss, oder einem klassischen Busunglück nicht mehr los. Ein Ausstieg aus dem Trott des Lebens, eine Tragödie, die ich nicht hätte beeinflussen oder abwenden können. Einfach ein neutrales Ende. Für mich zumindest.
Mit starrem Blick zum ersehnten Tod, lebt es sich wenig optimistisch. Alles erscheint sinnlos, wenn man in Betracht zieht, dass das Ergebnis eines Lebens immer das gleiche ist. Ich empfand zunehmend Freude beim Gedanken an Suizid, bis ich es als ernsthafte Lösung angesehen habe. Also stellte ich mir die alles entscheidende Frage: Wann werde ich mich umbringen?
Das Wie stand komischerweise nie zur Debatte. Sondern wann ist es soweit, wann werde ich mich und mein Umfeld von dieser never ending tragedy, die sich mein Leben nennt, erlösen?
Es sollte ein Tag im September werden. Ein Tag, an dem ich den Schmerz und das innere Leiden nicht mehr ertragen konnte, sodass ich den endgültigen Entschluss gefasst habe, durch eine Medikamentenüberdosis ins Koma zu fallen und nie wieder aufzuwachen. Das Ergebnis meiner Mission kennen wir alle. Letztendlich überlebte ich die Nacht und verlor die Erinnerung an den Abend, bis ich auf einen Tagebucheintrag gestoßen bin.
„Ich liebe meine Familie, ich liebe meine Freunde. Aber mich selbst und mein Leben liebe ich nicht. Medikamente und Drogen sind meine besten Freunde, weil ich dann wenigstens mal nicht der Realität ausgesetzt bin. Sollte das hier jemand anderes als ich lesen: Seid nicht traurig, sondern seid stolz, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Seid stolz auf mich, dass ich es geschafft habe zu sterben. Ich liebe euch und danke für alles was ihr für mich getan habt. Jetzt kann ich euch endlich etwas zurückgeben und mich und euch erlösen. Gute Nacht. Hoffentlich ein letztes Mal.“
Auf den Tod warten kann ich immer noch. Aber die Zeit bis dahin, kann ich mir auch schöner und sinnvoller gestalten. Drogenkonsum ist Suizid auf Raten, nur dass man diese ekelhaften Nebeneffekte, den kompletten eigenen Verfall, in vollem Bewusstsein miterlebt. Das treibt einen zu noch intensiverem Konsum und einer hoffnungslosen, aussichtslosen Depression.
Was mich in dieser Nacht gerettet hat, ist die Tatsache, dass ich Seitenschläferin bin. Und ich bin unbeschreiblich dankbar dafür!
Es wird ein shit storm ausbrechen für die folgenden Worte. Bitte bedenkt dabei, dass ich nicht dazu anstiften oder es verharmlosen will. Es handelt sich hier um eine Meinung, die nicht ausgesprochen werden darf und dennoch für viele Realität ist. Somit wird Menschen, die jegliche Hoffnung verloren haben, das Recht genommen ihre Gefühle und Sorgen mitzuteilen. Und das macht es nur schlimmer.
Deshalb spreche ich es aus und sage Suizid ist eine Lösung. Eine ziemlich einfache sogar. Wesentlich schwieriger ist es, dran zu bleiben und sich wieder aufzuraffen. Ich denke jeder, der sich mal in so einer Lage befunden hat, kann mir zustimmen. Dennoch ist es möglich. Wenn man es ernsthaft versucht und sich professionelle Hilfe sucht, ist der Weg sogar einfacher als erwartet und die Hoffnung kehrt zurück.
Hoffnung auf ein besseres Morgen, auf eine lebenswerte Zeit und Genesung.
Warum ich lebe? Weil die Zeit vergeht, auch wenn es einem vorkommt als würde sie still stehen. Weil einer meiner größten Wünsche nicht in Erfüllung gegangen ist und das Leben mir eine zweite Chance gegeben hat. Ich habe sie genutzt und habe den Kampf gegen mich selbst gewonnen. Darauf kann ich stolz sein. Ich kann stolz darauf sein immer noch am Leben zu sein.