Hi, mein Name ist Niemand.

Kennst du das Gefühl, vollkommen überflüssig zu sein? Keiner kennt dich, keiner will dich kennen, schlichtweg ein Niemand.

 

Oh, tut mir leid, wie unhöflich von mir, du weißt schließlich gar nicht, worum es geht. Ich heiße Niemand, bin 24 Jahre alt und studiere einen dieser Studiengänge, bei denen die Verwandten mit hochgezogenen Augenbrauen nachhaken, was man damit mal machen kann. Eine Kommilitonin, die ab und zu eine Kippe von mir schnorrt, hat mich auf eine Party eingeladen.

 

Heute sollte meine Nacht werden. Die eine Nacht, auf die ich mich schon seit zwei Wochen in Gedanken vorbereite und freue.

 

In meiner Fantasie komme ich auf die Party, komme ins Gespräch mit ein paar Leuten. Erst Small Talk, so: „Hey, studierst du auch? Cool, ich bin die Blabla, wollen wir zusammen was trinken?“. Dann hätten wir zusammen etwas getrunken, sie hätte mich beiläufig ihren Freunden vorgestellt. Wir wären alle in der Gruppe herumgestanden, hätten geredet, geraucht, vielleicht hätte ich sogar von einem Joint gezogen. Sie hätten mich gefragt, welche Musik ich gut finde, daraufhin hätte ich mein angelerntes Wissen über verschiedene Techno DJs angewandt. Sie wären so beeindruckt gewesen, dass sie sich immer weiter mit mir unterhalten hätten. Sie hätten mich gefragt, ob ich von der Party hier und da gehört habe, und ich hätte gesagt, dass ich da vielleicht hingehen möchte. Danach hätten wir Handynummern ausgetauscht, um in Kontakt zu bleiben.

 

Bestimmt wären auch Jungs dabei gewesen. Einer von ihnen mit langen braunen Haaren hätte mich dann um eine Kippe gebeten und wir wären zusammen eine rauchen gegangen. Er hätte mich nach meinem Namen gefragt und mir seinen Pulli angeboten, weil es mittlerweile doch recht kalt geworden wäre. Wir hätten uns stundenlang unterhalten und weiter getrunken.

Nach der Party wären wir mit dem gleichen Bus nach Hause gefahren und er hätte mich gefragt, ob ich noch mit zu ihm kommen möchte, um einen Joint zu rauchen und unser Gespräch weiterzuführen. Meine Antwort wäre Ja gewesen und wir hätten uns geküsst. Er würde mich noch in dieser Nacht entjungfern und am nächsten Tag nach einem gemeinsamen Kaffee wäre ich ganz cool gegangen mit der Aussage, ich würde mich bald bei ihm melden, wenn ich dazu käme.

 

Die Leute auf dieser Party sind scheiße. Sie sind einfach alle scheiße! Sie reden die gleiche Scheiße, denken die gleiche Scheiße und sehen alle genau gleich scheiße aus. Was will ich noch hier? Was soll ich hier? Sieh dich nur an in diesem ungeputzten Spiegel, voll mit Mascara Streifen, Wasserflecken und Barthaaren. Sieh dir Gott verdammt noch mal ins Gesicht Mädchen, und sag dir noch einmal, dass es deine Nacht wird. Wie peinlich. Hast du gedacht, du wärst hübsch, wenn du dir die Haare so hochsteckst? Das sieht einfach nur lächerlich aus. Von draußen hämmerts an die Badezimmertür.

„Hey! Brauchst du noch lang da drin? Du bist schon ewig im Bad, bist du kacken?“

„Wer ist da überhaupt drin?“

„Boah, ich hab keine Ahnung. Vielleicht die eine Olle da, mit dem Dutt.“

 

Das bin ich. Ich bin die eine Olle da mit dem Dutt.

Damit die anderen nicht denken, dass ich wirklich kacken bin, schließe ich die Tür auf und lasse den genervten, drängelnden Typen durch. Jemand hat sich auf meinen Platz gesetzt, während ich im Bad war. So ein dünnes, langbeiniges Instagrammodel sitzt auf meiner Tasche, gibt sie mir aber höflich zurück.

Da stehe ich nun mitten im Geschehen und doch allein. Zwischen etlichen Leuten und doch einsam. Genau in der Mitte des Raums und fehl am Platz. Es wird Zeit, nach Hause zu gehen.

Demonstrativ ziehe meine Jacke und Schuhe an. Obwohl es nicht nötig wäre, schnüre ich meine Sneaker auf und binde sie erneut zu, in der Hoffnung, jemandem würde es auffallen, dass ich aufbrechen möchte.  Irgendwie warte ich darauf gefragt zu werden warum ich schon so früh gehe oder, dass mich jemand bittet noch ein wenig zu bleiben.

Aber es kommt nichts. Niemand reagiert auf meine Blicke oder das künstlich in die Länge gezogene Anziehen. Auch nicht, als ich die Haustür öffne. Auch nicht, als ich sie langsam hinter mir schließe. Niemandem fällts auf, niemanden interessierts. Ich laufe allein zum Bus und lösche die blöde Technoplaylist aus Spotify.

 

Hi, mein Name ist Niemand. Nicht, dass es dich interessieren würde.