Emotional instabile Persönlichkeit.

Stell dir ein Glashaus vor, mitten in der Stadt stehen vier hohe, gläserne Wände, ohne Ausgang, mit 360 Grad Blick nach draußen. Umgeben vom Trubel der Stadt und hektischen Menschen, sitzt du in diesem kleinen Raum, allein. Die Leute um dich herum sehen und hören dich. Obwohl du isoliert bist, kannst du mit ihnen kommunizieren wie gewohnt. Und nun stell dir vor, es gäbe innerhalb dieses gläsernen Käfigs einen Temperaturregler, der willkürlich umschlägt und dein Glashaus sowohl erwärmen als auch abkühlen kann.

 

Unabhängig von der Jahreszeit und des Wetters wechselt der Regler zwischen frostiger Kälte und lähmender Hitze immer wieder hin und her. Mal sitzt du schwitzend drin und traust dich nicht, dich zu bewegen, aus Angst, dir an der Glasscheibe die Haut zu verbrennen. Dann ist es kurz angenehm auf Zimmertemperatur, schlägt aber im nächsten Moment wieder auf unangenehm heiß um. Zwischendurch erlaubt sich das Leben einen Scherz und kühlt den Käfig auf Eiseskälte ab.

Nun sitzt du drin in deinem privaten Gefrierschrank, zitternd und frierend, während die Menschen in T-Shirt und kurzen Hosen an dir vorbeigehen und dich aus dem Augenwinkel mustern. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. Sie sehen die verzweifelten Versuche, dich aufzuwärmen, einige beschleunigen daraufhin den Schritt.

Andere stehen fragend vor dem Glashaus, betrachten dich wie ein Tier im Zoo und überlegen sich einen Grund für dein unangemessenes Verhalten. Energisch erzählst du vom Temperaturregler, versuchst ihnen das Klima, dem du ausgesetzt bist, zu erklären, doch sie bleiben misstrauisch.

Immer wieder stehen welche mit besorgtem Blick vor der Scheibe und raten dir den Regler einfach zu manipulieren, damit er zu deinen Gunsten ausfällt. Fassungslos erklärst du ihnen, dass das Problem eben darin besteht, dass du es nicht beeinflussen kannst! Sie zucken mit den Achseln und gehen weiter.

Manche halten im Vorbeigehen nur kurz an, um dir zu sagen, dass sie es unhöflich finden, dass du den Glaskäfig in den Mittelpunkt des Platzes gestellt hast. Sie werfen dir vor, nach Aufmerksamkeit zu suchen, betiteln dein Leiden als Freakshow und ziehen genervt wieder ab.

 

Die Hände überm Kopf zusammengeschlagen, fragst du dich: Wie soll ich es euch erklären? Wie beschreibe ich diese unberechenbare Willkür? Wie formuliere ich, dass mich nicht nur die Schwankung, sondern auch die Intensität der Gefühle an meine Grenzen bringt? Wie rechtfertige ich meine Gefühle, ohne, dass ihr es selbst erlebt habt?

 

24/7 der abwechselnden Hitze und Kälte ausgesetzt, wirst du immer schwächer und schwächer. Auf dem Boden liegend, innerlich gebrochen, versuchst du es auszuhalten, irgendwie die nächste Welle zu überstehen. Da kommt einer an den Glaskäfig ran und klopft gegen die Scheibe. Er fragt, ob alles in Ordnung sei, ob man dir helfen könne. Du weinst und schreist bittest darum, befreit zu werden aus dieser isolierten Hölle. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet er das Glashaus, verschränkt die Arme hinterm Rücken. Grübelnd läuft er ein, zwei Mal außen herum. Letztendlich hat er eine Eingebung. Zufrieden guckt er dir ins Gesicht und sagt die einzige Lösung, sich zu befreien, liege darin, senkrecht die Glaswand hochzuklettern. Oben angekommen könne man dann rausspringen. Du bedankst dich, er sagt gern geschehen, wünscht alles Gute und verschwindet im Nichts.

 

Da liegst du wieder zusammengerollt auf dem Boden. Im Herzen noch einsamer als vorher und wartest. Worauf eigentlich? Das weiß keiner so genau.